27.07.2016

Projekt Eagleclaw Kapitel 44: Abschied


Die Welt nach dem Krieg ist nicht mehr die gleiche...


Der Krieg war vorüber. Es war uns tatsächlich gelungen, das ewige Dunkel auszutricksen, die Urschatten erneut zu verbannen und unsere Welt zurück zu erobern! Es wurde Frühling, und für mich gab es jede Menge zu tun: Neben meiner Hilfe bei den eigenen Reperaturarbeiten, die hauptsächlich Rondar leitete, damit mir noch ein Minimum an Zeit für mich selbst blieb, musste ich mich als Leiter der Interaktion von Magiern und Menschen mit Königen von überall auf der Welt in Verbindung setzen und die Friedensverträge erneuern. Schließlich war eine Welt im Wiederaufbau immer verwundbar! Was mir jedoch mehr Sorgen machte war, dass einige Völker der Menschen keinen Wert darauf zu legen schienen, mit uns den Frieden zu wahren. Häufig drifteten meine Gedanken zu Lukas' Volk ab, deren neuer General einem Gespräch mit mir ebenfalls aus dem Weg ging. Sie hatten sich noch vor den Übergriffen des Maskenkönigs auf einen Krieg vorbereitet, doch jetzt machten sie ihre Einsatzübungen verdächtig nah an unseren Grenzen. Als ich Nighty meine Bedenken mitteilte, meinte er: "Wenn sie versuchen, uns anzugreifen, werden sie auf die harte Tour lernen, mit wem sie sich anlegen!" Aber ich war nicht vollkommen überzeugt...
Meine freie Zeit, die erste seit den Vorfällen mit den Phantomreitern, verbrachte ich entweder mit meiner Familie, nachdem die Schnittler alle übrigen Geiseln wie auch Lyra und Morro aus den Kerkern der Burg von Alkanor gerettet hatten, bevor sie wieder zusammenfiel, oder bei Indra und Eagleclaw im Krankenflügel. Erstere wachte etwa eine Woche nach unserem Sieg wieder auf. Wir ließen ihr einen Tag, um mit Lukas und meinen Kindern über alles mögliche zu reden, vor allem natürlich über die großen Siege, die sie verpasst hatte, danach brachte Stella sie zur schnellen Genesung und damit die Restbestände des Gifts aus ihrem Körper ausgetrieben werden konnten ins Feendorf. Bis der Fürst von Dormina zum ersten Mal wieder seine Augen öffnete, dauerte es noch über einen Monat. Sein Körper zeigte keine ernsten Verletzungen, mit denen er nicht schon vorher gelebt hatte, trotzdem fühlte er sich kränker denn je. Wir sprachen viel darüber, was aus ihm werden sollte, eigentlich hatte er seine Entscheidung jedoch längst getroffen.
Lukas, Lyra, Morro, Nighty und zwei junge Schnittler kosteten das Tauen des Schnees aus, indem sie im Schlossgarten Donnerball spielten, ein Zaubererspiel, dass ich vielleicht ein anderes Mal erkläre, als die Vogelkreatur zu ihnen herauskam. Er trug zwar seine Alchimagenrobe, hatte sich aber nicht die Kaputze über den Kopf gezogen. Bei seinem Anblick verschwanden die Schnittler, und Lyra verzog sich in die Ecke des Spielfelds, während die anderen drei ihm entgegenkamen. Aus seinem Blick las Lukas heraus, was Eagleclaw sagen würde: "Du verlässt uns, oder?" "Ich muss, ich fühle mich hier nicht mehr zu Hause.", gestand Eagleclaw. Seine Gegenüber dachten, er meinte mein Schloss, und dabei blieb es auch vorerst. "Aber du hast versprochen, mir deine Alchimagenkünste beizubringen, wenn der Krieg vorbei ist, weißt du nicht mehr?", widersprach Lukas. Eagleclaw sah etwas beschämt zu Boden: "Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass ich ein guter Lehrer wäre, vor allem in meinem aktuellem Zustand. Aber lass mich dir sagen, dass du keine Zaubertricks brauchst, um kämpfen zu können. Was du geleistet hast, können die meisten in deinem Alter sich nicht einmal vorstellen!" Lukas nickte und gab sein Bestes, um seine Enttäuschung zu verbergen.
"Wir werden dich vermissen, Mascrow.", gestand Morro, danach schüttelten alle die Hände, und die 'Ultimative Lebensform' wandte sich zum Gehen. Dabei fiel ihm jedoch die noch immer reglos am Rand stehende Lyra auf. Ruhig ging er zu ihr und legte ihr die fleischliche Hand auf die Schulter. Sie wollte ihn zuerst abschütteln, brachte es dann aber doch nicht über sich, so unhöflich zu sein. "Was bedrückt dich, Kind?", fragte er mitfühlend. "Ich habe dich am ersten Tag durchschaut.", behauptete das Mädchen. "Ich hätte dich aufhalten müssen!" "Vielleicht ist es gut, dass du es nicht geschafft hast.", meinte Eagleclaw. Sie runzelte darauf nur die Stirn, also erklärte er: "Es schmerzt mich selbst, für wie viele unnötige Opfer ich gesorgt habe, aber wir haben auch etwas daraus gelernt! Wie schnell eine falsche Entscheidung getroffen ist... Wie gefährlich der Umgang mit Fremden ist... Dass man nicht der Vergangenheit nachtrauern, sondern die Zukunft vorbereiten sollte... Dass wir selbst entscheiden, wer wir sind..." "Und ich habe mich dazu entschieden, immer Recht zu haben.", stellte Lyra etwas sturr fest. Das brachte Eagleclaw zum Schmunzeln. "Du bist das schlauste Mädchen, dass mir je begegnet ist, Lyra. Du hast nichts falsch gemacht, und wenn du das anders siehst, weißt du wenigstens, dass du den Fehler nie wiederholen wirst." Sie nickte, und endlich deuteten sich Spuren eines Lächelns auf ihrem Gesicht an. Das genügte Eagleclaw, so verabschiedete er sich auch von ihr und verließ das Gelände.
Am Abend des nächsten Tages machte ich mich auf, um ihm zu folgen, wie wir es besprochen hatten. Lukas kam mir am Tor entgegen, und sagte, er hätte mich den ganzen Nachmittag gesucht. "Wie kann ich dir denn helfen?", fragte ich. "Wintus, könntest du einen Alchimagie-Lehrer für mich finden." Diese Frage überraschte mich, denn ich hätte nicht gedacht, dass er sich immer noch so unwohl als Mensch fühlte. Der Gedanke, ihn zu etwas zu machen, was er nicht war, missfiel mir; ich war noch nie ein Freund von Nachahmung! "Ich werde darüber nachdenken.", legte ich fest, hauptsächlich um die Angelegenheit noch etwas aufzuschieben. Ich wandte mich zum Gehen, um nicht unpünklich zu sein. Lukas sagte noch einmal mit ernstem Ton: "Das ist mir sehr wichtig, Meister!" Ich nickte verständnisvoll und verließ das Schlossgelände.
Eagleclaw wartete an den Ruinen des alten Dormina auf mich, wo ich vor so vielen Jahren Stella und Rondar kennengelernt hatte. Um ihn herum stand ein Kreis aus Kerzen. "Bist du dir sicher, dass es das ist, was du willst? Von dem Ort, zu dem du möchtest, gibt es kein Zurück mehr!", fragte ich zur Sicherheit noch einmal. "Ja, Wintus, ich bin mir ganz sicher.", bestätigte er. "Ich habe mir das gut überlegt, und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dorthin gehöre. Nur weil du mich rehabilitieren könntest, heißt das nicht, dass man mir je vergeben wird... Dass ich mir je vergeben werde." Ich nickte verstehend, hakte aber noch einmal nach: "Und dein Volk wird ohne dich auskommen?" "Ich wollte sie niemals beherrschen, ich habe sie nur geführt, bis sie eine Demokratie aufgebaut haben.", beharrte mein Gegenüber. "Die Bewohner Dorminas sind ein starkes Volk. Sie werden es schaffen." "Na gut, dann soll es so sein.", gab ich nach. Er ließ mit der Kraft des Feuerkristalls die Kerzen aufflammen. Ich reichte ihm von außerhalb des Kreises die Hand, um ihn begleiten zu können, ohne gefangen zu werden, dann sprach ich: "Libera illo damnati, in exsilium agere inimicis meis!"
Ein dunkler Wirbel verschluckte uns, und nach wenigen Sekunden fanden wir uns in der Bannwelt wieder. Unsere Ankunft wurde sofort von einer schwarzen Wolke bemerkt, die über der Plattform schwebte. "Sieh mal an, wer zu mir zurückgekrochen kommt!", lachte es. "Hat es etwa schon begonnen?" "Was soll begonnen haben?", fragte ich, ahnend was er meinte. "Tu nicht so ahnungslos, Wintus, du weißt es genauso gut wie ich! Die Menschen werden euch die Schuld für dieses Disaster geben. Sie werden kommen und euch fertigmachen." "Das Böse ist aus der Welt verschwunden, Schatten!", behauptete Eagleclaw. "Ich war deine letzte Verbindung zu ihnen." Das ewige Dunkel schüttelte, was anscheinend sein Kopf war: "Es gab schon vor meinem ersten Auftritt in ihrer Dimension Wut, Hass und Trauer. Ich habe die Dunkelheit nicht erfunden, Eagleclaw! Die Menschen werden die Welt erneut mit Schatten bedecken, und wieder werden die Stärksten herrschen. Dann werde ich wieder frei sein, und niemand von euch ist mehr da, um mich aufzuhalten!" "Noch haben wir keinen Krieg, und solange es Hoffnung, Glück und Freude gibt, werden wir nicht untergehen.", erinnerte ich.
Der große Schatten hörte ein weiteres Mal mit dem Lachen auf und sprach nun todernst: "Sag mir nur eines, Wintus. Ich habe gesehen, wie du nachts schweißgebadet aufwachst, in Angst davor, dass sie eines Tages kommen und dich holen... deine Familie holen. Was tust du, wenn du aufwachst?" Ich erwiderte den ernsten Blick und antwortete: "Ich empfinde großes Mitgefühl für die arme Seele, die zu meinem Schloss kommt, um mir und meinen Freunden etwas anzutun!" Kurz glaubte ich, ein Lächeln im Gesicht des Monsters erkennen zu können. Ich wandte mich wieder an meinen Freund: "Ich werde jetzt gehen, Eagleclaw. Viel Glück auf deinem Weg!" Eagleclaw lächelte mich ein letztes Mal an: "Lebe wohl, Wintus." "Auf Wiedersehen, Wintus.", verabschiedete sich auch das ewige Dunkel. Ich schüttelte den Kopf: "Mach's gut, Schatten." Dann verschwand ich. Eagleclaw schritt zum Rand der Plattform. "Ich habe es jetzt verstanden, Bruder. Diese Welt braucht uns nicht mehr." Er holte tief Luft. "Ich bin endlich bereit, dir zu folgen." Mit diesen Worten warf er sich über den Rand.

Ein Beitrag von Justin(23)

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