29.05.2016

Projekt Eagleclaw Kapitel 37: Das Schicksal der Welt


Wintus vs. Eagleclaw


Mit akrobatischen Bewegungen wich Eagleclaw all meinen Schleuderflüchen aus und kam immer näher. Ich wusste, dass ein Nahkampf auf Dauer nicht zu vermeiden war, so fuhr ich die Klinge aus meinem Zauberstab aus und griff ihn an. Ich schlug mich besser als in meinem entscheidenden Kampf gegen Ethera vor 40 Jahren, jedoch war mein Gegner sogar noch begabter als sein Vorgänger. Er kämpfte gleichzeitig mit seinem Poncho und dem übrigen Fächer, wobei es ihm durch seine Geschwindigkeit und Stärke mehr und mehr gelang, mich zu überwältigen. Ich sah meinen letzten Ausweg darin, mein Schwert wie einen Fluch abzufeuern, was ihn aus dem Gleichgewicht brachte, und mich durch die Verwendung einer Portkapsel aus seiner Nahe zu bringen. Für die Portkapseln, welche ich während der Vorbereitung auf den Kampf gebastelt hatte, habe ich mich von den Alchimagen inspirieren lassen. Sie funktionierten wie normale Portzauber, nur waren sie leichter und auch von Nichtzauberern anzuwenden.
Ich tauchte Sekundenbruchteile später am anderen Ende der Plattform auf und sandte Eagleclaw einen Feuerstrahl entgegen, er hatte mich aber schnell wieder im Blick und hielt durch den Feuerkristall mit einem identischen Angriff dagegen. Zuerst waren die Kräfte ausgeglichen, doch als er gleichzeitig die Feuermacht des Energiekristalls benutzte, drängte er meine Attacke zurück und ich musste zur Seite hechten, um auszuweichen. Sowie ich am Boden lag schleuderte er den zweiten Fächer aus Eisenfedern auf mich. Im letzten Moment erschuf ich ein Energieschild um mich herum, und die Messer, die mich getroffen hätten, zerfielen direkt vor mir zu Staub. Ich hatte keine Zeit, mich aufzurappeln, denn der Fürst von Dormina zog nun den Stab von seinem Rücken und nutzte den Himmelskristall, um mir mit einer starken Windböe den Zauberstab aus der Hand zu reißen, bevor ich reagieren konnte. Hilflos musste ich mit ansehen, wie er über die Kante rollte.
Jetzt drückte er mit dem zangenartigen Ende seiner Waffe meinen Hals zu Boden und holte aus, um mich mit einem Tritt zu erledigen. Glücklerweise bemerkte ich, dass er seine Deckung vergaß. Ich griff ruckartig sein anderes Bein - oder eher seine andere Klaue - und zog es weg, sodass er neben mir hinfiel, wobei der Eisenponcho laut klirrte. Von seinem Stab befreit stand ich auf, hatte aber leider keine Waffe mehr. In diesem Augenblick wünschte ich wirklich, ich hätte bei der Vorbereitung an eine Lichtbombe oder etwas ähnliches gedacht, doch da dies nicht der Fall war, blieb mir keine andere Wahl, als auf pure Kraft zu setzen. Eagleclaw, ebenfalls weitesgehend entwaffnet, denn er benutzte weder seinen Poncho noch die Kristalle, weil das ehrenlos gewesen wäre, ließ sich darauf ein. Unsere Hände griffen ineinander, und wer zuerst den anderen zum Zurückweichen bringen könnte, würde das Duell für sich entscheiden... Vermutlich hätte er mich auch durch schiere Körperkraft besiegt, aber ein eigentlich so unbedeutend scheinendes Detail, welches ich nicht bedacht hatte, wurde mir zum Verhängnis: Seine Hand war aus Metall, und seine Finger waren scharf wie Messer!
Mein Gegner hatte das offensichtlich genau mit einkalkuliert, denn er verschwendete keine Zeit und schlitzte mir den Handrücken auf. Ich schrie, taumelte rückwärts und krümmte mich vor Schmerz. Ich spürte einen Ruck und als ich die Augen wieder öffnete, hing ich mit der Kaputze an der Spitze von Eagleclaws Stab über dem Abgrund. "Ich war schon immer besser als du!", höhnte der Sieger des Kampfes, doch er schien wie ich außer Atem zu sein. "Hast du noch eine letzte Weisheit für mich, Wintus?" "Du wirst scheitern, Eagleclaw. Leute wie du scheitern immer!", antwortete ich. Mir fiel nichts besseres ein. "Interessante Theorie...", er seufzte, und seine Stimme klang bei den folgenden Worten, als käme er wieder zur Besinnung. "Wir sind beide ehrenhafte Kämpfer. Versprich mir, dass du dich nicht weiter einmischen wirst, dann ziehe ich dich hoch." Ich wägte meine Möglichkeiten ab und traf meine Entscheidung: "Du hast Recht, wir sind ehrenhafte Kämpfer. Und ehrenhafte Kämpfer sind bereit, den Preis für Niederlagen zu zahlen." Ich griff nach dem Stab und riss ihn aus Eagleclaws Hand, was mir selbstverständlich genauso den letzten Halt nahm. Dann folgte nur noch der Fall in die Tiefe.
Der Fürst Dorminas blieb allein auf der Turmspitze zurück. Er blickte hoch zum Mond; die Sonnenfinsternis würde in weniger als einer Minute beginnen. Alle Vorbereitungen waren getroffen, er würde bei Beginn der Sonnenfinsternis den Kristall, der die schwarze Perle umschloss, sprengen. Es ging los. Er zog Wasser aus der Luft, ließ es gefrieren und warf es auf das Ziel. Das Eis zersplitterte, der Kristall blieb unversehrt. Einen kurzen Moment staunte Eagleclaw, dann versuchte er es mit einem Demateriumstrahl. Auch damit erreichte er nichts. Nun musste er realisieren, dass ihm nicht ewig Zeit blieb. Verzweifelt nutzte er alles, was er hatte, doch nichts konnte den seltsamen Stein zerstören. Die Sonnenfinsternis neigte sich dem Ende zu. "Nein, nein, nein!", fluchte Eagleclaw und schlug jetzt mit der Faust auf den Käfig ein. Fassungslos sah er ein, dass es keinen Nutzen hatte, und lehnte sich mit unheimlicher Enttäuschung an den Kristall. Und als Reaktion auf die Berührung mit der flachen Hand, durch die Vereinigung aller Kristalle, brach er plötzlich auf. Eine Druckwelle schleuderte ihn vom Turm, während ein dunkler Strahl in die Höhe schoss und wortwörtlich den Himmel aufbrach. Die Zeit blieb stehen, so wurde die Welt nicht mehr von der Sonne erhellt. Aus dem Dimensionsspalt flog eine unzählbare Menge der dunkelsten Schattenwesen, die diese Welt seit über 2000 Jahren gesehen hatte. Als letztes kam das ewige Dunkel selbst aus dem Portal. Erfreut rief es, so dass die ganze Welt es hören konnte: "Letzten Endes - allerletzten Endes... Die Pforte zwischen den Welten steht offen; die Jahrhunderte alte Prophezeihung ist eingetreten. Der Tag ist gekommen, die Welt gehört endlich mir!"
Ich bekam mit, was über mir geschah, aber ich konnte nichts tun. Stattdessen versuchte ich, die Gleitflügel von Eagleclaws Stab auszufahren, um mich zu retten. Dies gelang mir erst, als ich durch die Wolken den Boden sehen konnte. Auf einmal spürte ich eine Gewichtszunahme: Eagleclaw war auf meinem Rücken gelandet. "Es hat ja nicht lange gedauert, bis du ohne mich gestorben wärst!", warf ich ihm vor. Er jedoch schüttelte matt lächelnd den Kopf: "Ehrlich gesagt habe ich mir eine andere Mitfluggelegenheit organisiert." Ein Schwarm Flatterrattatten, große Rattatten mit Flügeln, dessen orangene Fellfarbe wohl mit ihrem langen Aufenthalt in der Bannwelt zu tun hatte, kam vom Portal aus zu uns herab und holte uns ein. Der Fürst sprang von meinem Rücken auf den des Staffelführers und die Gruppe lenkte meine Flugrichtung so um, dass ich anstatt in Richtung meines Schlosses der großen dunklen Wolke hinterher flog, welche die Form eines riesigen, schwarzen Drachens annahm, der unheilsverkündend Kurs auf die Welt der Menschen nahm.

Ein Beitrag von Justin(23)

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