20.05.2016

Projekt Eagleclaw Kapitel 35: Eine traurige Geschichte von Verrat


Eagleclaw denkt an seine Vergangenheit zurück.


Eagleclaw stand auf der Spitze des Turmes am Ende der Welt, einer großen Fläche, dessen einzige Unebenheit ein Kristall in Stalaktitenform in der Mitte der Plattform war, welcher eine kleine, pechschwarze Perle umschloss. Unter ihm gaben die Wolken im stürmischen Wind ein beeindruckendes Schauspiel ab, doch der Fürst von Dormina konnte seine Augen nicht vom Mond lassen, der sich in etwa einer Stunde vor die Sonne schieben würde. Als erwartete er eine Antwort sprach er zum Mond: "Du hast mich verraten. Ich wäre dir bis ans Ende gefolgt! Du hast mich im Stich gelassen... Lass mich dir deinen Fehler erneut zeigen." Eagleclaws Geschichte ist tatsächlich eine der traurigsten, die ich je gehört habe, verstärkt durch den unglücklichen Faktor, dass sie wahr ist:
Siebzig Jahre nach dem Scheitern des Menschenprojekts Ethera versuchten die Menschen erneut, eine 'Ultimative Lebensform' zu erschaffen. Kurz vor dem finalen Test brach Ethera in das Labor ein, befreite seinen Ersatz und bot ihm eine Stelle als sein oberster General in der Schlacht am heulenden Berg an, einen höheren Rang als selbst Graudonox inne hatte, was diesem überhaupt nicht schmeckte! Jedoch war der Plan des Dunklen Königs nicht, die Menschen in einem Krieg zu schlagen, sondern sie komplett auslöschen zu lassen. Er trickste Rondar aus, sodass dieser den Feuerdrachen Gormors aufweckte, welcher unter dem Schlachtfeld Jahrhunderte lang geschlafen hatte. Während dieser seinen Zorn an allen Teilnehmern der Schlacht ausließ, suchte Eagleclaw nach Ethera, nicht wissend, dass er dafür verantwortlich war.
In der Nacht trat auf einmal ein Großteil der dunklen Wesen den Rückzug an. Eagleclaw gelang es, Darkmoon abzufangen, der zu dieser Zeit Nightmare als den Führer der Phantomreiter vertrat: "Wo wollt ihr alle hin? Ihr müsst weiterkämpfen und den Drachen vom Himmel holen!" Darkmoon riss sich von seinem Griff frei und rief ihm noch hinterher: "Dein geschätzter Dunkler König hat uns verraten. Frag ihn doch selbst, warum er unbedingt hier die Schlacht austragen wollte." So suchte er weiter. Es dauerte noch bis zum späten Vormittag, als er ihn endlich fand. Er stand an einem der höchsten Abhänge und überblickte, wie der Drache sein Werk tat. Eagleclaw war überglücklich, ihn entdeckt zu haben, doch schnell fiel ihm der Ernst der Lage wieder ein: "Ethera, wir müssen da runter, der Drache macht alles zunichte!" Doch der Dunle König schüttelte den Kopf. "Gormors tut genau das, was er machen soll. Er nimmt uns die Arbeit ab." "Aber er tötet auch unsere Leute!", warf Eagleclaw ein, ahnend, dass sein Gegenüber dies nicht übersehen hatte. "So war es schließlich geplant.", stellte Ethera fest.
Da sein Nachfolger zu geschockt war, um etwas zu entgegnen, riet er: "Du solltest jetzt gehen. Hiermit entlasse ich dich aus deinem Dienst. Zieh fort und führe ein Leben jenseits von grausamem Krieg." "Wie kannst du sie sterben lassen? Sie sind hier, weil sie an dich geglaubt haben. Ich bin hier, weil ich an dich geglaubt habe!", begehrte Eagleclaw, aber es war zwecklos. Er hatte sich schon zum Gehen gewandt, da drehte er sich noch einmal um und versuchte es ein letztes Mal: "Komm mit mir. Wir können das alles hinter uns lassen, wir werden..." "Hier ist mein Platz. Geh nun, und finde den deinen.", unterbrach Ethera, ohne sich umzudrehen. Plötzlich begann es, immer wieder laut zu knallen; Rondar und ich waren mit den Raketen zurückgekommen, welche wir jetzt eine nach dem anderen auf den Drachen feuern ließen. Eagleclaw rannte zurück zum Abhang. Sein Bruder war bereits verschwunden. Als Rondars letzte Rakete einen Teil der Rüstung von Gormors wegsprengte, nahm Eagleclaw aus einer spontanen Eingebung heraus Anlauf, sprang auf den Rücken der sich windenden Bestie und lenkte sie irgendwie in einen geraden Sturzflug. So gelang es Ludwig, einem menschlichen Bogenschützen, das Ungetüm zu schießen. Nach dem Tod des Drachen zog Eagleclaw sich zurück. Später wurde ihm von einem Finsterling berichtet, ich hätte Ethera getötet, so ging er mit gemischten Gefühlen ins Exil.
Etwa drei Jahre lang lebte er im Untergrund von den Dankbarkeiten der Leute, die er vor flüchtigen dunklen Wesen beschützte, dann führte ihn ein Kobold in das Königreich Dormina, wo der Herrscher ihm Zuflucht gewährte. Als er fünf Jahre später wieder vor den König geführt wurde, um seine Einbürgerung offiziel zu machen, legte er dem König jedoch eine Reihe von Vorschlägen dar, wie man die Situation im Reich verbessern könnte. Man hatte Eagleclaw einfach nie gesagt, dass es Leute gibt, die es hassen, kritisiert zu werden, und dass dieses Syndrom besonders oft bei großen Herrschern vorlag. So sagte der König ihm, er würde ihn vors Volk führen lassen, um diesem seine Ideen selbst vorzustellen. In Wahrheit führte man ihn zu einer öffentlichen Hinrichtung.
Er erkannte es erst, als man ihn unter die Guillotine spannte. Er wartete, bis die Wachen sich entfernten, um sie mit seiner puren Kraft aufzubrechen. Dies gelang, die Klinge fiel, Eagleclaw sprang zurück, seine Hand blieb stecken... Der Schmerzensschrei war in ganz Dormina zu hören! Die Wachen, welche ihn zur Hinrichtung geleitet hatten, brachten jetzt den König in Sicherheit, während der Rest sich auf den Flüchtigen stürzte. Von einer Mischung aus Verzweiflung und Zorn angetrieben hielt Eagleclaw der Qual stand und wehrte sie ab. Keinen der Angreifer ließ er am Leben. So verließ er Dormina wieder. Indes berichtete der König mir, die Hinrichtung sei vollzogen worden, damit die Chance geringer war, jemand würde den Mörder finden und ihm wieder auf die Beine helfen. Vorher hatte ich keine Zeit gehabt, nach der Vogelkreatur zu suchen, und da mir von der Hinrichtung nichts gesagt worden war, bis der König mich kontaktierte, musste ich ihm glauben und es so hinnehmen.
Trotzdem half eine Gruppe von Vagabunden dem verletztem Eagleclaw auf die Beine. Als sie ihn nahe der Stadtmauern fanden, war er totkrank, denn zu dem Schmerz hatten sich auch noch Bakterien durch die Wunde gefressen und ihn angesteckt. Mit ihrer überaus fortschrittlichen Heiltechnik konnte die Gruppe ihn nicht nur gesund machen, sondern ihm auch noch die Hand ersetzen. Einer der Heiler war ein Alchimage, welcher das Potential Eagleclaws erkannte und ihn in seiner Kunst unterwies. Zehn Jahre war Eagleclaw ein Teil dieser Gruppe. Als Mitglied des Ordens der Alchimagen schenkte man ihm auch eine obligatorische Robe, welche er trug, um seine wahre Identität vor den Kriegern von Dormina zu verbergen. Aus demselben Grund nannte er sich seitdem Revolt. Aber die Erinnerung an das ungerechte Machtverhältnis im Reich, und wie er lernte in den meisten Teilen der Welt, nagte an ihm, so nutzte er nach dem Tod seines Lehrers die Gelegenheit, um die Vagabunden zu verlassen und seine eigene Organisation zu gründen, den 'Wind des Wandels'.
Immer mehr unzufriedene magische Wesen und sogar einige Menschen schlossen sich dem Bund zur Beseitigung der Monarchie an, und als er genug Gefolgsleute hatte, startete Eagleclaw seine Übergriffe, angefangen in Dormina. Es gelang ihm, alle Wachen zu umgehen und den Herrscher, der ihn einst reingelegt hatte, umzubringen, nachdem dieser sich weigerte, sein Amt freiwillig abzutreten. Sein nächstes Ziel war das Himmelreich Valenzien, doch dieses Mal waren Rondar, Stella, Nighty und ich zur Stelle, um den König zu beschützen. Während meine Freunde mit dem magischen Heer seine Armee zurückdrängten, stellte ich Revolt persönlich im Thronsaal. Ich hatte dem König geraten, sich in Sicherheit zu bringen, aber er war schaulustig und blieb, um vom Kampf unterhalten zu werden. Das Duell war ausgeglichen, allerdings wurde ich unaufmerksam und gab den Weg zum Herrscher frei. Danach ging alles so schnell, dass ich nichts mehr tun konnte. Er richtete den Monarchen, löste mit Alchimagenkunst ein Feuer aus und verschwand darin.
Ich hielt ihn für tot, da ich mit dem Trick nicht vertraut war, und weil seine Armee zerschlagen war, stellte der Wind des Wandels keine Gefahr mehr dar. Eagleclaw, erneut ziellos und allein, dieses Mal aber wesentlich stärker, wechselte seinen Decknamen zu Mascrow und fing wieder im Gebiet von Dormina mit dem Bekämpfen von Monstern an. Durch seine Verdienste wurde das Volk, welches kläglich versuchte, eine Demokratie aufzubauen, auf ihn aufmerksam. Er wurde immer öfter in politische Fragen einbezogen, bis man ihm schließlich eine diktatorähnliche Führungsrolle anbot. Er lehnte diese zwar dankend ab, leitete jedoch trotzdem fortan als ehrenbetitelter Fürst die neue Regierung. Mit der Zeit wurde er außerdem zum Leiter des Ordens der Alchimagen gewählt. Irgendwie ist er dann in Kontakt mit dem ewigen Dunkel gekommen, der ihm einen Weg vorschlug, um sein eigentliches Ziel zu verwirklichen. Der Rest seiner Geschichte ist bekannt...
Zurück in der Gegenwart starrte Eagleclaw noch immer auf den Mond. In 45 Minuten würde er die Welt verändern. Er würde sein Schicksal verändern... Eine einzelne, winzige Träne berührte den Boden der Plattform. Eagleclaw hatte bereits vor langer Zeit aufgehört, über seine Vergangenheit zu weinen. Es war der Mond, der sie vergoß!

Ein Beitrag von Justin(23)

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