12.08.2016

Projekt Eagleclaw Kapitel 45: Das Erbe des Dunklen Königs


Epilog


Eine weitere Geschichte findet ihr Ende. Rückblickend wird mir klar, wie viele Fehler ich selbst begangen hatte. Der größte war wohl, Eagleclaw überhaupt erst zu vernachlässigen, wenn nicht sogar zu vergessen. Ich habe es den Menschen immer vorgehalten, dass sie Ethera einfach für tot gehalten haben, aber man sollte die Fehler zuerst bei sich selbst suchen. Aus Fehlern lernen... Ich werde es nie mehr vergessen können!
Es schien mir nicht so, doch diesen "Dunklen Krieg", wie er inzwischen genannt wird, haben mehr für die Geschichte relevante Personen überlebt als die Schlacht am heulenden Berg. Und sie alle habe ich über ihre Sicht der Ereignisse ausgefragt, um möglichst viele Gedanken unterbringen zu können. Auch Eagleclaw hatte mir geholfen, die Lücken zu füllen, bevor er sich verabschiedete. Ich weiß noch, wie Lukas eines Tages zu mir kam und mich fragte, warum ich mir solche Mühe gab, alles ausführlich zu erklären. Er ist noch heute der Meinung, dass es nach dem Tod des letzten Zeitzeugen niemanden mehr geben wird, den es interessiert, aber ich bin anderer Ansicht. Warum schreibe ich es auf? Eine genaue Antwort habe ich nicht. Lukas habe ich gesagt, die Lehren dahinter sollten nicht vergessen werden, doch ist es wirklich das, was mich antreibt?
Mein Leben neigt sich dem Ende zu... Die Welt sieht heute ganz anders aus als zu meinen Zeiten als Lehrling! Finsterlinge, Schnittler und sogar Phantomreiter leben unter uns, als wäre es niemals anders gewesen. Die Schatten haben das Land scheinbar komplett verlassen, aber hin und wieder kreist ein Schwarm ungewöhnlich düsterer Angalien um die Ruinen von Dormina. Vielleicht kommen sie eines Tages wieder, um uns um Zuflucht zu bitten. Wir werden warten! Bezüglich der Menschen hatte das ewige Dunkel leider Recht. Sie führten eine andere Art von Krieg, doch das passt nicht zu diesem Buch. Es gibt nicht mehr genug Zauberer, damit ein Kampf Sinn hätte, darum bleibt die Geschichte wohl unerzählt. Ich weiß trotzdem, dass sich Menschen später an mich erinnern werden. Dabei weiß ich selbst so wenig über mich. Ich kannte meine Eltern kaum, und inzwischen bereue ich, so wenig Zeit mit meinem Meister verbracht zu haben. Was würden sie heute von mir denken? Würden sie mich einen Helden nennen? Bin ich ein Held?
Der wahre Held ist Eagleclaw, denn es war seine Idee, den großen Schatten auszutricksen. Er hat diejenigen in die Gnittaburg geführt, die am Ende den Maskenkönig besiegen konnten. Er hat gewusst, wie der Bann gelöst werden kann, mit dem die Urschatten mich gefangen hielten. War er die ultimative Lebensform? Nein, er war nicht so nah an der Vollkommenheit wie Ethera. Seine Geschichte ist eine andere, eine traurigere... Denn Ethera war immer allein gewesen, er hatte niemanden, den er vermissen konnte. Eagleclaws Leben war von Verlust und Schmerz geprägt. Um das zu verstehen, habe ich seine Persönlichkeit im Kern erforscht. Nach dem ersten Verschwinden ihres ursprünglichen Projekts hatten seine Erschaffer in der Programmierung alles geändert, was sie als für das "Fehlverhalten" Etheras verantwortlich sahen, und ihm so auch Eigenschaften genommen, die wichtig für seine Persönlichkeit waren, etwa der Wille, alle rationalen Gedanken auszuführen, und die Besessenheit, den Menschen die Zukunft zu öffnen.
Eagleclaw wollte sich für die Schwächeren einsetzen, und sah sich häufig selbst als den Schwächsten. Seine Kampffähigkeiten waren auch ohne die Kristalle besser als die von Ethera, sonst hätte er nicht so lange überleben können. Etwas, dass die Menschen nie gelernt haben, ist, dass der radikale Weg nur selten der beste ist, und auch die Ultimativen Lebensformen mussten häufig mit ihrem Verstand gegen den Drang zur Gewalt kämpfen. Eagleclaw scheiterte öfter darin, was mir die Wissenschaftler der Megalonia gut begründen konnten: In seinem Programm waren einige mentale Stärken durch physische Techniken ersetzt worden. Der Kampf in Ethera wurde von dem Teil des ewigen Dunkels in ihm angeheizt, während Eagleclaws Verstand ihm riet, sich gegen seine Programmierung zu wehren. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, gegen sich selbst kämpfen zu müssen, ich kann mir jedoch vorstellen, dass es das härteste Duell für jeden Krieger darstellt!
Warum war Eagleclaw so besessen davon, seinen Bruder zurückzubekommen, oder ihm zu beweisen, dass er richtig und der Dunkle König falsch lag? Die meisten denken, er war es leid, im Schatten des Schattenkönigs zu stehen, und wollte zeigen, dass er besser war. Ich behaupte, es besser zu wissen: Nach all den Verlusten, mit denen er leben musste, dachte er, er könnte Heilung finden, wenn er das zurück bekommen könnte, mit dem alles anfing. Das ewige Dunkel hatte immer gelogen! Es besaß nie die Kraft, Eagleclaw in der Zeit zurückzuschicken, genauso wenig konnte es selbst zeitreisen. Der Raum lässt sich in winzigste Teile zerlegen, die durch große Macht wie die des Raumkristalls alle einzeln bewegt werden können. Aber es gibt nur eine große, allgemeine Zeit in allen Dimensionen, und keine Kraft kann sie manipulieren. Letztendlich brauchte Eagleclaw diese Kraft nicht, um seinen Bruder wiederzufinden. Er ist bestimmt glücklich, wo er jetzt ist. Die Urschatten und ihr Herr haben nach dem Dunklen Krieg die Bannwelt nicht mehr verlassen, und trotzdem haben sie noch irgendwie Einfluss auf unser Leben. Die Ursache dieses Phänomens zu ergründen ist in einer Lebzeit nicht möglich, und in meiner schon gar nicht mehr. Aber vielleicht werden unsere Nachkommen es irgendwann herausbekommen.
Jetzt könnte man meinen, ich wüsste alles über diese Geschichte, nur wäre das fernab der Wahrheit! Zum Beispiel kann ich nicht sagen, wie viel der Maskenkönig von seiner wahren Rolle im Spiel der Urschatten wusste. Ich schätze, dass er wirklich dachte, es ginge um seinen Rachefeldzug... Wir können die Geschichte nicht komplett entschlüsseln, aber wir können einen Beitrag leisten, damit zukünftige Generationen genug wissen, um von ihr zu lernen. So wird die Gesellschaft sich weiterentwickeln, und Ethera und Eagleclaw werden nicht vergessen bleiben. Das Erbe des Dunklen Königs ist nicht die Macht des Energiekristall aus dem Tempel, sondern die Macht, etwas in der Welt zu bewirken. Dank ihnen werden wir alle etwas bewirken!

Ein Beitrag von Justin(23)

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